Finde dein eigenes Tempo, dann geht dir nie der Atem aus.

Ich versuche dran zu bleiben. Will den Windschatten nutzen, um Kraft zu sparen. Es bläst starker Gegenwind. Dem jungen Mann vor mir scheint das nichts auszumachen. Mir dagegen schon. Eine scharfe Linkskurve und es geht die Serpentinen hinauf in das andalusische Hochgebirge. Mit großem Aufwand und Krafteinsatz bleibe ich dicht hinter ihm. Fahr langsamer, Herrgott nochmal! Noch eine Schleife, dann muss ich ihn ziehen lassen.

Ich steige vom Rad. Setze mich auf einen Stein und spüre das Blut in meinen Adern pulsieren. Ich wollte Kraft sparen und bin nun völlig ausgepowert. Ich habe mich wohl übernommen. Was ist da gerade passiert? Habe ich gerade meine Grenzen kennengelernt? Bin ich wieder mal meinem Ego begegnet?

Warum muss ich mich immer so beeilen? Wieso fahre ich das Tempo eines anderen?

Was hat das Tempo der anderen mit mir zu tun? Der junge Mann hatte ein Rennrad und kein Gepäck. Ich war mit einem alten Trekkingrad und 25 KG Gepäck unterwegs. Er hat einen Tagestrip gemacht, ich eine Radreise. Warum lasse ich mich in meinem Handeln durch andere beeinflussen?

Eine zwölf tägige Radreise ist wie ein Spiegelbild des Lebens. Einige Passagen sind wunderschön, andere eher langweilig und monoton. Eben lief es wie geschmiert, jetzt hast du einen Plattfuß. Manchmal geht es bergauf, manchmal bergab. Heute hast du Gegenwind, morgen Rückenwind.

Welchen Sinn ergibt es, sich dabei zu beeilen? Ausgepowert und früher am Ziel sein? Das Leben an sich vorbeifliegen lassen? Ein Leben auf der Überholspur? Nicht mitzubekommen, wie schön es rechts und links ist? Immer auf das Ziel und eine starke Performance fokussiert zu sein? Ist das der Sinn des Lebens?

Das Leben hat dir eine Gangschaltung geschenkt, damit du sie einsetzt.

Wenn es läuft, gib Gas. Wenn es anstrengend ist, schalte einen Gang runter. Finde deine eigene Übersetzung und bleib in deinem Rhythmus.

3 Kommentare
  1. Siggy
    Siggy sagte:

    Schöne Geschichte Michael,
    ich habe auch schon mal schlicht und einfach vergessen wo man am Rad des Lebens rauf und runter schaltet. Dann hat man eine Art „Fixie“ und das ist nicht gesund … 😉

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  2. Elisabeth
    Elisabeth sagte:

    Tolles Foto zu deinem Beitrag!
    Ja, das kenne ich.Mit anderen mithalten wollen und dabei die eigene Grenze nicht zu akzeptieren.
    Das büße ich dann mit Kopfschmerzen oder Verspannungen. Es ist ein langer Prozess, sich selbst zu erkennen
    und dann etwas ändern.

    Antworten

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